Der wesentliche Teil meiner Arbeiten für das Buch EIN PAPST ZU VIEL war das Recherchieren.
Quellen waren Forschungsarbeiten aus verschiedenen Fachgebieten.
Vollständig neu bei meiner Forschungsarbeit ist der Einbezug von Graphologie. Die Monogramme habe ich mit graphologischen Methoden untersucht, so weit dies möglich war.
Dieser interdisziplinäre Ansatz verhalf mir zu völlig neuen Erkenntnisssen, fernab von ausgetretenen Denk- und Argumentationspfaden.
Wahrhaftig: Oft kam ich mir vor wie Sherlock Holmes oder Miss Marple!
Oft sagen Leserinnen und Leser, die mein Buch EIN PAPST ZU VIEL kennen: Das ist ja wie ein Krimi. Ein Krimi? Was macht denn einen Krimi aus?
Zunächst ist da ein «Fall», der gelöst werden muss: Eine Leiche wurde gefunden. Oder jemand ist scheinbar spurlos verschwunden.
In meinem Buch ist ein Papst «verschwunden». Er habe im frühen Mittelalter gelebt.
Für die Ermittlung ist in einem Krimi vielleicht die Polizei zuständig: Eine Kommissarin oder ein Kommissar werden aktiv. Es kann auch ein Detektiv oder eine Detektivin sein. Schliesslich gibt es auch Privatpersonen, klassisch ist Miss Marple bei Agatha Christie.
In Sachen «EIN PAPST ZU VIEL» habe ich als Autorin die Ermittlungen aufgenommen und durchgeführt. Davon erzähle ich in meinem Buch.
Für die Aufklärung werden Spuren verfolgt, Gegenstände gesammelt und untersucht, Zeugen befragt, äussere Umstände überprüft (z.B. Fahrplan, Tatort, Gewohnheiten usw.).
Wesentlich ist auch die Frage, welches Motiv für die Tat wichtig ist. Diese Informationen werden analysiert und wie ein Puzzle zusammengesetzt.
Für meine Untersuchung gibt es Zeugen aus der Zeit, nämlich Silbermünzen. Ausserdem eine Menge von schriftlichen Dokumenten. Ich habe analysiert und versucht, das Puzzle zu vervollständigen.
Schliesslich die Lösung. Der Täter wird überführt, die Komplizin legt ein Geständnis ab. In anderen Fällen müssen in sorgfältiger Detailarbeit die Motive ermittelt und möglichst viele Hinweise überprüft werden, damit die Indizien schlüssig zusammengefügt werden können.
Bei meiner Spurensuche habe ich zahlreiche Indizien gefunden, die schliesslich ein jahrhundertealtes Rätsel – oder eben: einen jahrhundertealten Fall – gelöst haben.
EIN PAPST ZU VIEL ist tatsächlich eine Art Krimi. – Mehr über den Fall im nächsten Beitrag.
Es gibt Berichte über diesen Papst. Er soll in den 850er-Jahren das Oberhaupt der Kirche gewesen sein. So ist es in zahlreichen alten Manuskripten zu lesen. Manche Autoren bemerken, dass dieser Papst eine Frau gewesen sei. – Das wäre ja unerhört! Ein Riesenskandal! In der römisch-katholischen Kirche können Frauen ja nicht einmal einfache Priester sein.
Im Laufe der Zeit wurde in gewissen Kreisen der Widerstand gegen die Vorstellung einer Päpstin stärker. Das kann und darf einfach nicht sein! Die Lösung: Dieser Papst wird in der Liste der Päpste nicht aufgeführt. Er wird nicht gezählt, ist in verschiedenen alten Schriften nachzulesen.
Trotzdem: Die Geschichte von einem weiblichen Papst, oder eben einer Päpstin, hält sich hartnäckig. Sie ist Grundlage für Erzählungen, Spottgedichte, Romane, Filme, Theaterstücke oder auch ein Musical. Sehr zum Ärger von Leuten, welche der Ansicht sind, die Kirche dürfe nicht lächerlich gemacht werden durch solche Erzählungen.
Diese Fantasiegeschichten würden auf eine Legende zurückgehen, erklären «Romtreue». Angesehene Theologen haben sich damit beschäftigt und wollen belegen, dass eine Frau auf dem Heiligen Stuhl nicht möglich sei. Die in ihren Augen stichhaltigste Begründung: Es hat keine zeitliche Lücke in der Liste der Päpste. Darum könne das unmöglich eine historische Tatsache sein.
Was aber, wenn diese Liste ein wenig abgeändert worden wäre? Immerhin haben frühere Autoren dies so aufgeschrieben. Dann gäbe es tatsächlich einen Papst mehr, als überliefert wird. Aber eben: es wäre EIN PAPST ZU VIEL. – Warum dies einfach nicht sein darf, das ist der Inhalt von meinem nächsten Beitrag.
Ursprünglich gab es nur eine christliche Kirche. Zwar existierten verschiedene Strömungen, doch waren die Geistlichen in Rom schon früh bestrebt, die Dinge so darzustellen, dass klar sein sollte: Rom ist das Zentrum der Christenheit. Heute bezeichnet sich diese Gruppe als «römisch-katholisch». Ihr oberster Geistlicher ist der Papst. Ganz ohne jegliche Bescheidenheit wird beansprucht, dass der Papst das Oberhaupt sämtlicher Christen auf der ganzen Erde sei. In diesem Verständnis sind Christen ausschliesslich Menschen, die der römisch-katholischen Kirche angehören. Alle andern sind Heiden.
In dieser Kirche können nur Männer zu Geistlichen geweiht werden. Das wurde ziemlich früh festgelegt und geht auf die Gesellschaftsordnungen der Antike zurück. Vor allem im östlichen Mittelmeer-Raum war klar: Frauen gehören nicht in die Öffentlichkeit. Priester, Bischöfe und alle weiteren Geistlichen arbeiten zu einem rechten Teil in der Öffentlichkeit; also können Frauen nicht Geistliche werden. Helfen und zudienen, das ist OK. Aber mehr liegt keinesfalls drin. Das gilt auch heute noch in der römisch-katholischen Kirche.
Thomas von Aquin (1225-1274) fand eine scheinbar stichhaltige Begründung: Frauen sind keine richtigen Menschen, weil ihnen von Natur aus etwas fehlt. Das Wort des angesehenen Kirchenlehrers der römisch-katholischen Kirche hat Gewicht: Für Viele ist dadurch klar: Es kann nicht sein, dass eine Frau das Oberhaupt dieser Kirche werden könnte. Wenn erzählt wird, dass es einer Frau gelungen sei, Papst zu werden, dann muss das eine erfundene Geschichte sein.
Wäre das Tatsache, dann hätte diese Person erfolgreich getrickst. Sie hätte sich als Mann verkleiden müssen. Und dies war in früheren Zeiten absolut verboten. Die Rolle der Geschlechter ist von Gott vorbestimmt, so die allgemeine Überzeugung. Und überhaupt: Das war schon immer so. – Was, wenn das nicht stimmen würde? Dann wäre klar: Hier ist EIN PAPST ZU VIEL.
Bei der Untersuchung von Monogrammen auf Silbermünzen aus dem 9. Jahrhundert ergab sich ein überraschendes Resultat. Das weckte meine Neugier und ich machte mich auf die Spurensuche. Nachzulesen in meinem Buch EIN PAPST ZU VIEL.
Gewiss, immer wieder habe ich davon gehört, dass es einmal eine Päpstin gegeben haben soll. Die Story war für mich wohlfeile Sensationsmache: Katholische Kirche, Frau, Papst – das ist schon mal ein ziemlich reisserischer Plot, der allerlei Fantasien anregt.
Und dann soll diese Frau noch ein Kind geboren haben, und zwar auf offener Strasse. Na, also, da haben wir’s! Die Frau als sexuelle Verführerin – geschieht ihr recht, dass sie diese Riesenblamage erleiden musste! – Bis jetzt dachte ich: Nein, das interessierte mich nicht!
Aber dann habe ich bei meiner Arbeit entdeckt, dass irgend etwas nicht zusammenpassen will. Nein, es waren nicht einfach Geschichten oder Dokumente. Es waren Silbermünzen aus der Zeit, in welcher dieser «verschwundene» Papst im Amt gewesen sein soll.
Münzen kann nur eine Regierung herausgeben. Heute sind das einzelne Staaten, oder im Falle der EU ein Staatenverbund. Früher waren das Könige, Kaiser oder eben auch Päpste. Der Papst war auch Oberhaupt des Kirchenstaates, hatte also durchaus auch weltliche Funktionen.
In jener Zeit war es üblich, seine «Unterschrift» in Form von einem Monogramm zu gestalten. Wir kennen das auch in heutiger Zeit, beispielsweise bei Labels von Modemarken, von Autos oder von Sportvereinen. Mehrere Buchstaben werden kunstvoll zu einem einzigen Zeichen verbunden – eben ein Monogramm.
Auf den Silbermünzen die ich untersuchte waren zwei Monogramme von Päpsten mit dem Namen JOHANNES, aber ganz deutlich in unterschiedlicher Gestaltung. Gemäss Papstliste soll es aber nur einen Papst Johannes gegeben haben in dieser Zeit. - Am Ende gar eine Johanna? Meine Neugier war geweckt.
Im frühen Mittelalter konnten nur wenige Leute lesen und schreiben. Alles musste von Hand geschrieben werden, denn der Buchdruck war noch nicht erfunden. Klar, dass solche Bücher äusserst kostbar sind. Glücklicherweise können sie heute als elektronische Dokumente bequem am Bildschirm angesehen werden.
Meine Suche nach einem weiblichen Papst war zunächst wenig erfolgreich. Immerhin stand in sehr frühen Texten (aus dem 11. Jahrhundert), dass es einmal einen Papst Johannes gegeben habe, der jedoch eine Frau gewesen sein soll. Und es steht auch, dass dieser Papst aus der Region von Mainz gekommen sein soll.
Später werden die Hinweise auf einen weiblichen Papst häufiger. Beispielsweise wird von einem Papst Johannes berichtet, der aber in der Liste nicht gezählt wird, eben weil er eine Frau war. – Aha, es gibt also doch Berichte. Und es wird festgehalten, dass dieser Papst «nicht gezählt wird». Eben, er war EIN PAPST ZU VIEL!
Diese Spur verfolgte ich in Büchern und Dokumenten aus vielen Jahrhunderten. Erstaunlicherweise war während rund siebenhundert Jahren klar: es gab einmal eine Frau, die Papst geworden ist. Ein Ärgernis war das, selbstverständlich. Mehr oder weniger deutlich wurde das Missfallen der Chronisten ausgedrückt. Aber keinem wäre es in den Sinn gekommen, die historische Existenz dieser Frau auf dem Papstthron zu leugnen.
Es war spannend, zu verfolgen, wie sich die Geschichte im Laufe der Jahrhunderte verändert hat. Die Fantasie der Erzähler wurde offenbar geweckt bei der Vorstellung, dass eine Frau das höchste kirchliche Amt der Christenheit ausgeübt haben soll. Zunehmend wurde sie zur lasterhaften Figur, die der Kirche schaden soll. – Davon mehr im nächsten Beitrag.
Im frühesten Bericht steht ganz einfach: «Auf Papst Leo IV. folgte Johanna, eine Frau, während 2 Jahren, 5 Monaten und 4 Tagen.» Ein späterer Chronist erzählt, dass sie schwanger geworden sei und als Papst ein Kind geboren habe.
Und jetzt ging’s los! Die Geburt habe auf offener Strasse stattgefunden, und zwar während einer feierlichen Prozession, wird später berichtet. – Eine unglaubliche Blamage! Und klar: Diese Frau ist sündig – als ob da nicht noch ein Mann im Spiele war, wenn sie ein Kind zur Welt gebracht hat. Mittelalterliche Menschen fragten sich eher: War es der Teufel? Konnte sie etwa zaubern?
Wie auch immer: Die Sünde muss bestraft werden, das stand für andere Schreiber fest. Wie? Sie wird auf der Stelle von einem Gericht verurteilt. – Die Frage taucht auf: War denn immer ein Gericht mit dabei auf einer feierlichen Kirchenprozession?
Was war die Strafe? Klar, sie muss sterben! Sie wird an ihr Pferd gebunden und aus der Stadt geschleift – grausam! Ein anderer gibt noch einen drauf: während sie geschleift wird, wird sie vom Volk gesteinigt.
Francesco Petrarca - er ist hier abgebildet - schrieb, dass wegen dieser sündigen Frau über die Stadt Brescia in Norditalien ein Blutregen niederging. Genug? Nein, es gab auch noch eine Heuschreckenplage. Die Viecher wollten nach England, aber das gelang ihnen nicht, darum verwesten sie in der Luft und verbreiteten Krankheiten. - Jedenfalls wird verständlich, dass diese Person auch für Petrarca EIN PAPST ZU VIEL war.
Die Empörung war gross. So gross, dass der Wahrheitsgehalt und der Realitätsbezug grosszügig übergangen wurden. Immer wieder wurde «noch einen drauf gegeben». Sensationen waren gefragt. Das macht die Story spannend – genau wie heute. Und ganz wichtig: Gleichzeitig kann klar gemacht werden: Frauen, passt auf, dass ihr ein tugendhaftes Leben führt! – Wer bestimmt die Spielregeln?
Während Jahrhunderten war klar: Die Kirche bestimmt, was gut und was schlecht ist. Und «Rom» beanspruchte schon sehr früh, die einzige christliche Kirche zu sein. Es gab zwar in Byzanz, dem heutigen Istanbul, eine mindestens ebenso mächtige christliche Einrichtung. Aus ihr entwickelten sich die verschiedenen christlich-orthodoxen Kirchen. Aber «Rom», allen voran die Päpste, wollten das nicht hinnehmen.
Um ihren Anspruch zu legitimieren, wurden wiederholt und im ganz grossen Stil «Belege» gefunden. Oder besser: erfunden. Fake gab’s schon lange vor unserer Zeit! Etwa um 800 wurde eine Urkunde gefälscht, die belegen soll, dass der Römische Kaiser Konstantin I. im Jahre 315 dem Papst die Oberherrschaft über Religiöses und Weltliches übertragen habe. Und zwar für die Stadt Rom und für den gesamten Erdkreis, selbstverständlich für alle Zeit. – Noch heute spendet der Papst den Segen für «urbi et orbi», für die Stadt und den Erdkreis. Hinzu kam eine grosszügige Schenkung von umfangreichen Gebieten, über die er politische Macht ausübt.
Jetzt haben wir ein weiteres Motiv für EIN PAPST ZU VIEL: Es ist klar, wer das Sagen hat. Und es ist klar, dass Frauen halt einfach auch noch da sind. Aber eben: Den Frauen fehlt etwas von Geburt an, hat der angesehene Kirchenmann Thomas von Aquin herausgefunden. – Psychologisch gesehen ist das aufschlussreich: Der Herr - ein Dominikaner, der also die Empfehlung zum Zölibat kannte - war so stolz auf sein männliches Attribut, dass er Frauen als minderwertig ansah. Und mit ihm alle, die ebenfalls ein kleines Anhängsel unterhalb des Bauchnabels mit sich herumtragen. Frauen haben ein spezifisches Merkmal gleich im Doppelpack – spielt keine Rolle. Weiter: Woher kommen denn all diese «Wunderwesen mit Anhängsel»? – Ach ja, aus dem Bauch einer Frau. Manche Psychologen sprechen daher vom Gebärneid: Männer seien neidisch auf Frauen, weil sie Kinder zur Welt bringen können. Aber was schliessen die klugen Kirchenmänner daraus? – Frauen sind sündig und sie haben nichts anderes im Sinn, als Männer zu verführen. Und darum können Frauen keinesfalls ein kirchliches Amt ausüben. – Diese Erzählung klappte lange Zeit, auch weil nur wenige lesen konnten; die Kirche hatte somit die Deutungshoheit.
Bei den Ermittlungen stiess ich immer wieder auf manipulierte Dokumente. Mal wurde etwas ergänzt, mal etwas weggelassen, mal etwas ganz anders dargestellt. Und manchmal wurde schamlos gefälscht. Eben wie die Geschichte vom Geschenk Kaiser Konstantins.
Aber ich hatte auch Abbildungen von Zeugen aus der Zeit. Silbermünzen, die zwischen 855 und 875 geprägt wurden. Damals war Ludwig II. von Italien Kaiser, was auf einer Seite der Münzen zu sehen ist. Auf die andere Seite hat der jeweilige Papst sein Monogramm prägen lassen. Einer hiess Benedikt, einer Nikolaus, zwei Johannes. – Und jetzt wird’s spannend!
Johannes? Ja, natürlich, es gab einen Papst Johannes im 9. Jahrhundert. Damit es klar ist: es gab EINEN Papst Johannes. So jedenfalls wird behauptet.
Die Signaturen sind aber sehr unterschiedlich. – Ooch, der Johannes hat halt mal sein Monogramm geändert, wird dann erklärt. Das ist aus verschiedenen Gründen nicht plausibel, denn damit wären grosse Rechtsunsicherheiten entstanden. Wer hat diesen Vertrag unterschrieben? Wer hat diese grosszügige Spende gemacht? – Fragen über Fragen, die keine überzeugende Antwort erhalten.
Nach gründlichen Untersuchungen und Studien zur Bedeutung von Anordnungen gab es für mich nur eine Erklärung: In der Zeit von Ludwig II. (855-875) gab es zwei Päpste Johannes. Davon haben frühe Quellen berichtet und meist wurde beigefügt: Dieser Johannes war eine Frau.
)Genau das wird heftig bestritten. Weil Frauen ja kein Amt in der Kirche haben können, «kann» es auch keinen weiblichen Papst gegeben haben. – Dies zumindest die Logik von «Romtreuen».
Weshalb bin ich sicher, dass es zwei Päpste Johannes gegeben hat zwischen 855 und 875? Ganz einfach: weil die beiden Monogramme unterschiedliche Geschichten erzählen.
Wir alle können selbstverständlich lesen und schreiben. Das war bis vor knapp 200 Jahren nicht so. Lange waren nur wenige, meist Geistliche, dazu in der Lage. Mitteilungen, die alle verstehen sollten, wurden in Bildern und Symbolen «verpackt». So konnten auf Bildern in Kirchen und Kapellen religiöse Geschichten erzählt werden. Ein Teil solcher Symbole ist auch uns noch bekannt. Ein Herz, eine rote Rose, ein Kreuz, das verstehen wir auch heute noch. Früher gab es sehr viel mehr davon.
Bei der Komposition eines Monogramms wurde sorgfältig darauf geachtet, welche Botschaften es mitteilt. Natürlich muss man sich mit dieser Sprache intensiver beschäftigen, was hier nicht möglich ist. Die beiden Johannes-Monogramme enthalten ganz verschiedene Botschaften, das sah ich unzweifelhaft. Das ist ein zentraler Punkt, weshalb klar sein muss: es waren zwei verschiedene Personen mit unterschiedlichen Botschaften.
Wichtig bei meiner Spurensuche waren auch Stilvergleiche. Und auch diese zeigen unzweifelhaft, dass auch diesbezüglich grosse Unterschiede bestehen. Der eine Namenszug gleicht stilmässig denjenigen von anderen Päpsten aus Rom. Es ist der Johannes, von dem man auch weiss, dass er aus Rom stammte. Der andere weicht vollständig ab von allen, von denen ich Abbildungen zum Vergleichen hatte. Die Buchstaben von diesem Namen sind gleichartig wie jene von Königen und Kaisern nördlich der Alpen, also beispielsweise von Karl dem Grossen.
Wow, das ist eine heisse Spur! Der Papst Johannes, der eine Frau gewesen sein soll, wird in vielen Berichten – sie waren alle in lateinischer Sprache verfasst - «Johannes Anglicus» genannt; das stellt einen Bezug zu England her. – Hilft diese Erkenntnis weiter?
Meist wird angenommen, das Christentum sei von Rom aus verbreitet worden. Die «kreative Geschichtsschreibung» der römischen Kirche wirkt also. Immerhin: Im östlichen Teil des Mittelmeers, in Ägypten und an der Nordküste Afrikas lebten Christen ganz ohne «römisches» Zutun.
Im nördlichen Teil von Europa, vor allem auf den Britischen Inseln, gab es schon sehr früh Christen. Ihre Klöster und Kirchen waren anders organisiert als die «römischen». Ein wesentlicher Unterschied, der für unsere Spurensuche wichtig ist: Frauen konnten Priesterinnen werden, sie leiteten Klöster, berieten Herrscher, konnten auch Bischöfinnen sein. Frauen konnten selbstverständlich auch Regierungsgeschäfte übernehmen, oft waren sie Co-Herrscherinnen mit ihren Ehegatten.
Johannes Anglicus soll, so steht in den Chroniken, aus der Region von Mainz oder Fulda stammen. In diesem Gebiet waren sehr früh irische und schottische Christen auf Missionsreisen. Sie predigten nicht nur aus der Bibel, nein, sie vermittelten viel Wissen aus der Antike, besonders aus Griechenland.
Jetzt ergibt sich ein Bild: Eine junge Frau wird gut ausgebildet. Sie kennt sich aus in biblischen Geschichten und zudem kann sie Griechisch. Sie kleidet sich sehr einfach, möglicherweise in einer Kutte wie sie Mönche oder Nonnen tragen. Für sie ist es selbstverständlich, dass sie auch Verantwortung übernimmt, deshalb lehrt sie klassische griechische Fächer. Sie gelangt nach Rom, wo Vornehme und Gebildete von ihr mehr von diesem alten Wissen erfahren. Sie ist sehr geachtet und wird wegen ihres sozialen Engagements geschätzt. Wegen ihrer Herkunft und weil alle davon ausgehen, dass nur ein Mann so gescheit und gebildet sein kann, wird sie «Johannes Anglicus» genannt. Und so kommt es, dass sie zum Bischof von Rom und somit zum Papst gewählt wird.
Später stellt sich auf irgend eine Weise heraus, dass dieser Papst eine Frau ist. - Nein, das kann und darf nicht sein! Niemals kann eine Frau das Oberhaupt aller Christen sein! So dachten – und denken immer noch Viele – und man begann, möglichst alle Spuren zu verwischen. Johannes Anglicus war eben EIN PAPST ZU VIEL.